Donnerstag, Oktober 14, 2010

musikalische genüsse

ich dachte in meiner von vorurteilen belasteten manier, das nächtliche gemeinsame gröhlen, dem einige jugendliche in meiner wohngegend regelmäßig frönen, sei ein bloßes produkt unsachgemäßen alkoholkonsums (oder gerade sachgemäßen?). wie so oft haben menschen älteren kalibers wie ich ("da war ich vierzehn!") jedoch schlicht und einfach nur einen mangel an kenntnis und einblick in eine jugendkultur, die in ihrer innovativität und ihrem tiefgang ihresgleichen sucht. neulich war es mir vergönnt, auf dem heimweg den harten proben, die einer solch hochwertigen musikalischen untermalung vorausgehen, im vorbeigehen lauschen zu dürfen:
alle: "hei, das/was geht ab...wir feiern die ganzö nach, die ganzö nacht."
einer sichtlich entsetzt ob der unkenntnis seines chormitgliedes: "alter, DAS geht ab, nicht WAS geht ab, weißdu? nochmal!"
und nun wohnte ich noch mit stockendem atem und errötend (wegen des verzweifelten versuchs, nicht laut zu lachen) der korrekten, mehrstimmig und arhythmisch vorgetragenen variante bei:
"hei, das geht ab...wir feiern die ganzö nacht, die ganzö nacht!"
nun verstehe ich ein wenig mehr von einer kultur, die ich bis dato als bisweilen dumpf abgetan hatte und vergeige, äh verneige (das war tatsächlich ein tippfehler, aber ich fand ihn so hübsch, dass ich ihn nicht löschen wollte) mein haupt in demut. mir wird schlagartig klar, wie diese jugendlichen ihr hart erarbeitetes können nachts selbst- und kostenlos darbieten und in entbehrungsreichen stunden durch die straßen ziehen, auf der suche nach der perfekten akustik. sollte nicht auch ich ein loblied darauf singen, dass sie diese gerade in meiner straße überdurchschnittlixch oft finden? sollte ich nicht ein schild aufstellen, um ihren ihre suche zu erleichtern? oder wäre das ein frevel an ihrem ernsthaften bemühen? so als würde man einem buddhisten ein schild aufstellen: "->nirvana->" (sofern man den weg weiß.) nein, lieber bleibe ich still, mein wissen ist allzu fragmentarisch, meine oberflächlichkeit weicht nur allmählich dem verständnis. warum sie gerade nachts singen? nun des tags sind die nebengeräusche der hektischen, kalten welt, in der diese jungen menschen ihre gemeinschaft pflegen wie ein küken mit wunden federspitzen, einfach zu vorherrschend. sie finden keinen platz darin. und ihre musik! sie ist einfach so...so...
postmodern.