Samstag, Juli 16, 2011

der kleine buh und der große mond

in kitas, besonders in denen für 0-3jährige, ist es ab und zu nötig, alle bücher einzeln durchzugehen, um die ramponiertesten (das wort gibt's ab jetzt auch im superlativ, klar? sei froh, dass ich nicht: "ramponiertetsten" geschrieben habe.) auszusortieren. ein buch, sei es auch aus pappe, kann nur einen gewissen grad an sabber und liebevoller abnagung ertragen. der grad der erosion ist leider kein zuverlässiger indikator für pädagogisch besonders hochwertige oder besonders beliebte bücher (auch das ist nicht dasselbe, kinder sind scheiße), deshalb muss man wirklich alle durchblättern. ich habe ja nun meine diplomarbeit über den pädagogischen wert und unwert von kinderbüchern geschrieben, daher wurde mir die verantwortungsvolle aufgabe des aussortierens aufgrund des begründeten verdachts, ich würde aus fachlicher und persönlicher sicht unwürdige bücher bei der gelegenheit gleich mit raussschummeln, nicht anvertraut. über die fragwürdigkeit dieses vorgehens mag man streiten. also streite ich jetzt - imaginär - mit den kollegen und kolleginnen:
ich: da ist ein perspektivenwechsel drin, das können die in dem alter noch gar nicht, sie verbleiben zwangsläufig bei der zuletzt gelesenen perspektive und glauben dann, dass die mutter tatsächlich ein kind lieber hat als das andere.
andere: ach, das ist doch nicht so schlimm.
ich: und bei dem anderen buch ist das mädchen die ganze zeit die dumme, passive und der junge rettet die situation durch den einsatz von gewalt.
andere: aber es ist doch so süüüüüüß!
ich (nach einigen weiteren diskussionen): *entnervt_aufgeb*
ende des streits (sonst hab ich meine kollegen und kolleginnen (progressiv: meine kollegenden. sorry, schwesti) sehr gern)
nun also blätterte die mit der aufgabe betraute kollegin in den büchern. ein kind, das auch im raum war, wollte natürlich gleich eine geschichte hören, was aber im angesicht des schnellen durchblätterns nicht möglich war. nun, die kollegin war aber motiviert und liebevoll, also wollte sie das kind nicht mit: "jetzt nicht, hab zu tun." überbügeln. sie erzählte also einfach kurzfassungen. gesagt, getan. das buch: "der kleine buh (eine eule) und der große mond" wurde kurzerhand reduziert auf:
"guck, da ist der der kleine buh traurig, dass der mond weg ist...guck, da ist der mond wieder da." *zuklapp*
die komplexität der geschichte, in der es um die mondphasen und um die beziehung der eule zur natur und zum eigenen großvater geht, wurde auf so meisterliche weise auf seine essenz zusammengekocht, dass mir nur eins zu sagen bleibt: das ist die perfekte vorbereitung für die gegenwärtige medienwelt. wir sollten bücher immer so vorlesen.